Projekt «spielzeugfreier Kindergarten» in Oberschan
Zehn Wochen ohne Spielsachen im Kindergarten? Ja, das ist möglich. Vor zwei Jahren hatten wir im Kindergarten Oberschan das Projekt «spielzeugfreier Kindergarten» zum ersten Mal durchgeführt. Wir waren dazumal so begeistert, dass wir entschieden, uns alle zwei Jahre auf dieses tolle Abenteuer einzulassen. Jedes Oberschaner Kindergartenkind sollte einmal in den Genuss davon kommen.
Anfang März war es also wieder so weit. Zusammen mit den Kindern räumten wir alle Spielsachen im Kindergarten weg. Für den ersten spielzeugfreien Tag brachten die Kinder grosse Kartonschachteln mit. Gemeinsam diskutierten und besprachen wir, wie der Alltag mit dem nun vorhandenen Spielmaterial aussehen kann. Wir haben auch neue Regeln, die trotz der grossen Freiheit eingehalten werden müssen, besprochen und abgemacht. Und los gings! Von nun an durften die Kinder selber bestimmen, was, wo und mit wem sie spielen wollen. Sogar wann jedes seinen Znüni essen möchte. Was für ein Abenteuer!
In der Zwischenzeit blicken wir auf zwei spannende Monate ohne Spielzeug zurück. Es gibt Tücher, Klammern, Schachteln, Seile. Auf Anfrage auch anderes, was die Kinder gerade für ihr Projekt brauchen, Werkzeuge zum Beispiel.
Im Vordergrund steht nun vor allem das «Miteinander-tun». Spannend, was alles entsteht, wenn die Kinder den Raum und die Zeit frei nutzen dürfen. Sie schaffen wahrlich Neues aus sich selbst heraus und entwickeln fantasievolle Spiele.
Es werden Schachteln zu einem Hotel zusammengebaut, Zirkusvorstellungen einstudiert, aufwendige Rutschbahn- und Sprungbrettkonstruktionen aus der Matratze und einer Matte konstruiert, Schachtelraketen starten ins Weltall, im Tierspital betreuen sie kranke Tiere, sie machen Wohnwagenferien in Italien, Schwimmnudeln galoppieren durch die Prärie, Räuber werden von Polizisten gejagt und gelegentlich fährt auch ein Schulbus durch den Kindergarten. Kooperation ist gefragt. Die Kinder kommunizieren viel mehr miteinander. Es gilt, Ideen auszutauschen, miteinander zu besprechen, Lösungen zu suchen und Kompromisse einzugehen. Das ist nicht immer einfach!
Selbstverständlich gibt es auch Krisen. Es kommt auch mal Langeweile auf, aber das ist nicht schlimm.
«Lange Weile» braucht es, um neue Ideen entwickeln und verwirklichen zu können. Und Frust aushalten können macht stark für das Leben!
Es gibt interessante Prozesse zu beobachten. Die Konstellation der Spielgruppen hat sich verändert. Mädchen und Buben, die vorher wenig miteinander zu tun hatten, spielen intensiv Rollenspiele und bauen zusammen Hütten. Kinder, welche gerne die Gesellschaft von uns Erwachsenen suchten, haben ihren Platz im Spiel mit ihren «Gspänli» gefunden. Schüchterne Kinder sind mutiger geworden und haben vom Zuschauen zum Mitspielen oder gar Anführen gewechselt. Sie entwickeln die Fähigkeit, sich verständlich zu machen und anderen zuzuhören. Stärken und Schwächen kristallisieren sich heraus und die Kinder lernen, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
Wir Kindergärtnerinnen sind gefordert: aufmerksam beobachten, begleiten, motivieren, aufbauen, loben, Zurückhaltung üben und wenn nötig intervenieren. Es gilt auch das eigene Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls neue Strategien zu entwickeln. Eine Zeit, die für alle eine Bereicherung und Weiterentwicklung ist!
Heidi Tuor und Manuela Schoch, Kindergärtnerinnen, Kindergarten Oberschan